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Völkermordtribunal: Letzte Rote Khmer sind noch immer kampfbereit
Ohne jegliches Anzeichen von Reue sind die vier überlebenden Entscheidungsträger des Rote-Khmer-Regimes in Kambodscha am Montag zu ihrem Prozess vor dem Völkermordtribunal erschienen. Die Angeklagten sind alle gebrechlich, zeigten sich aber kampfbereit. Der damalige Chefideologe Nuon Chea (84), der in Wollmütze und Sonnenbrille erschien, verließ aus Protest den Saal. Wie er lehnen der damalige Außenminister Ieng Sary (85), Ex-Staatschef Khieu Samphan (79) und Sozialministerin Ieng Thirith (79) jede Verantwortung für die unter ihrer Herrschaft begangenen Gräueltaten ab. Die vier sind unter anderem wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Ihre Anwälte verunglimpften abwechselnd die Staatsanwaltschaft und die Untersuchungsrichter des von den UN unterstützten Gerichts. Der einzige, der sich selbst zu Wort meldete, war der als „Bruder Nummer Zwei“ berüchtigte Nuon Chea. „Ich bin über das Verfahren nicht glücklich“, sagte er.
Die Untersuchungsrichter hätten entlastendes Material gegen seinen Mandanten verworfen, sagte sein Anwalt Michiel Pestman aus den Niederlanden. „Versucht dieses Gericht, die Geschichte zu beerdigen? Unser Mandant hat nicht die Absicht, dieses Verfahren durch seine Anwesenheit zu beehren.“ Mit Hilfe von zwei Wachen schlurfte Nuon Chea daraufhin aus dem Gerichtssaal und wurde zurück in seine Zelle gebracht. In Kambodscha hat am Montag der zweite Prozess vor dem Kriegsverbrechertribunal ECCC gegen vier frühere Rote-Khmer-Funktionäre begonnen. Im Folgenden einige Fakten zu den Roten Khmer und zum Umgang des Landes mit seiner Vergangenheit: DIE "KILLING FIELDS": Pol Pots ultra-maoistische Untergrundkämpfer der Roten Khmer begannen 1975 eine blutige Bauernrevolution; fünf Jahre zuvor war König Norodom Sihanouk vom rechten Lager vom Thron geputscht worden. Etwa 21 Prozent der Bevölkerung des Landes mussten während der Herrschaft der Roten Khmer von 1975 bis 1979 ihr Leben lassen. Rund 1,7 Millionen Menschen wurden hingerichtet oder zu Tode gefoltert. Viele verhungerten aufgrund der ökonomischen Experimente, die auf die Rückkehr zu einer geldfreien Agrarwirtschaft zielten. Städtische Intellektuelle und buddhistische Priester wurden unter erbärmlichen Bedingungen zur Feldarbeit auf den sogenannten Killing Fields gezwungen. DER STURZ DES REGIMES: Das Regime wurde 1979 durch den Einmarsch vietnamesischer Truppen gestürzt. Diese installierten eine kommunistische Regierung, in der vor allem ehemalige Rote-Khmer-Kader saßen. Die Kämpfe zwischen der Regierung und verbliebenen Kämpfern der Roten Khmer dauerten von 1979 bis 1991 an. Millionen Kambodschaner harrten während dieser Zeit in Flüchtlingslagern aus. DER STEINIGE WEG ZUR JUSTIZ: 1993 kam es nach einem von den Vereinten Nationen (UN) mitentworfenen Friedensplan zu Wahlen. Sihanouk wurde verfassungsgemäß wieder als König installiert. 1997 bat Kambodscha die UN und die internationale Gemeinschaft um Hilfe bei der Einrichtung eines Völkermord-Tribunals für die Roten Khmer. 1998 kündigte die Regierung aber an, sie wolle die volle Kontrolle über das Gericht behalten. Der Plan dümpelte Jahre lang vor sich hin. Zahlreiche Entwürfe wurden zwischen Kambodscha und den UN hin und hergereicht. Die Rechtmäßigkeit des Gerichts wurde von Kambodscha infrage gestellt. Der erste Prozess hatte im Februar 2009 begonnen, das Urteil fiel 2010. ANGEKLAGT: Fünf ehemalige Rote-Khmer-Kader wurden festgenommen und wegen verschiedener Punkte angeklagt: Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Völkermord. Es handelt sich um den ehemaligen Präsidenten Khieu Samphan , den früheren Außenminister Ieng Sary und seine Frau Khieu Thirith, Nuon Chea, Pol Pots Stellvertreter, und Duch, der bereits vergangenes Jahr in einem ersten Prozess vor dem ECCC zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Pol Pot wurde 1997 festgenommen und starb 1998. Der einbeinige Militärchef Ta Mok starb 2006. AUF FREIEM FUSS: Mehr als 30 Jahre nach dem Sturz des Regimes sollen sich noch mehr als 20.000 ehemalige Kämpfer und Arbeiter der Roten Khmer auf freiem Fuß befinden. Der amtierende Ministerpräsident Hun Sen kritisierte den Gerichtshof vergangenes Jahr scharf für den Vorschlag, Untersuchungen gegen weitere fünf Verdächtige einzuleiten. Hun Sen sagte, weitere Festnahmen könnten einen Bürgerkrieg auslösen. Zwar gibt es keine Beweise dafür, dass der Politiker für Gräueltaten der Roten Khmer mitverantwortlich ist. Seine Regierung umfasst aber viele ehemalige Kader der Organisation.
Auf der Empore des Gerichtssaals in Phnom Penh verfolgen rund 500 Zuschauer das Geschehen, von denen viele unter dem Regime Pol Pots zu leiden hatten, dem Ende der 70er-Jahre 1,78 Millionen Menschen zum Opfer fielen.
Schlimmstes Gemetzel in der Geschichte
Für die Kambodschaner ist es, als würde in Deutschland Hitlers Stellvertreter und seinem Außenminister gleichzeitig der Prozess gemacht: Das schlimmste vom Staat angezettelte Gemetzel in der Geschichte des Landes wird ab heute vor dem Völkermord-Tribunal bei Phnom Penh aufgerollt.
Auf der Anklagebank sitzen: der Stellvertreter von Regimechef Pol Pot, Nuon Chea (84), der frühere Staatschef Khieu Samphan (79), Ex-Außenminister Ieng Sary (85) und dessen Frau, die einstige Sozialministerin Ieng Thirith (79). Unter ihrer Herrschaft kamen von 1975 bis 1979 zwischen 1,8 und 2,2 Millionen Menschen um.
„Es ist ein historischer Moment“, sagt Youk Chhang, der ein renommiertes Dokumentationszentrum über die Gräueltaten der Ultrakommunisten führt und dem Gericht eine halbe Million Dokumente beschafft hat. „Es ist der wichtigste Prozess für uns Kambodschaner“, sagt der Mann, dessen Schwester von den Roten Khmer ermordet wurde.
Er selbst hat am Bein noch heute eine hässliche Narbe von Drangsalierungen bei der Zwangsarbeit. „Wir wissen, dass die Angeklagten ihre Unschuld beteuern und nur mit dem Finger auf Untergebene zeigen.
Aber wir hoffen, dass wir dieses Kapitel unserer Geschichte endlich abschließen und in die Zukunft blicken können.“
Schreckensherrschaft jahrzehntelang totgeschwiegen
Die Wunden, die die Schreckensherrschaft hinterlassen hat, sind in der kambodschanischen Gesellschaft jahrzehntelang totgeschwiegen worden. Zum einen kamen nach dem Fall des Regimes erst die vietnamesische Besatzung und ein Bürgerkrieg, dann wurde das Land in den 80er-Jahren Spielball der Weltmächte. Zum anderen ließen die Roten Khmer damals niemandem die Wahl: Wer nicht Opfer war, war Täter. Ein Viertel der Bevölkerung kam um.
Schuld und Sühne aufzuklären war nach dem Ende des Regimes nicht Priorität des ausgemergelten Volkes. Buddhisten glauben zudem, dass Schandtaten im nächsten Leben bestraft werden.
Bis heute leben in vielen Dörfern Mörder und Folterer Tür an Tür mit den Angehörigen ihrer Opfer.
"Der Boden hier mit Knochen übersät"
An der Nationalstraße von Phnom Penh nach Battambang liegt ein Massengrab mit wahrscheinlich Tausenden Toten. Geborgen wurden die sterblichen Überreste nie. „Als ich klein war, war der Boden hier noch mit Knochen übersät“, erzählt Puon Kosal (23). Er zeigt auf einen Hemdfetzen, der aus dem Lehmboden hängt. „Wir nennen diesen Ort Gefängnis der Geister“, sagt er. Hier war das Chong-Chrouy-Gefängnis.
Ehemalige Wachen haben berichtet, wie es da und anderswo zuging: Vor allem einstige Kader der Roten Khmer, die halb verhungert beim Brotstehlen erwischt wurden oder aus Versehen ein Werkzeug zerbrachen, wurden zu Verrätern und Feinden der Revolution abgestempelt.
„Seit wann bist Du beim CIA und KGB?“ wurden sie angeherrscht, obwohl sie keinen blassen Schimmer hatten, dass hier von den Geheimdiensten der USA und der Sowjetunion die Rede war.
Fußnägel wurden mit Zangen entfernt
Wer nicht sofort gestand, wurde halb zu Tode gefoltert: Fußnägel wurden mit Zangen entfernt, Plastiktüten bis zum Ersticken über die Köpfe gezogen, die Genitalien mit Stromstößen malträtiert. Nach dem Geständnis wurden die Leute gefesselt an den Rand einer Grube geführt und von hinten mit einer Brechstange erschlagen.
Die vier sind unter anderem angeklagt wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Kriegsverbrechen. Die Ankläger glauben beweisen zu können, dass die vier zum inneren Zirkel von Regimechef Pol Pot gehörten und an wichtigen Weichenstellungen beteiligt waren. Erst ein einziger Scherge des Regimes ist bislang verurteilt worden: Kaing Guek Eav alias Kamerad Duch, der eines der schlimmsten Foltergefängnisse leitete und Zehntausende Menschen in den Tod schickte.
Er zeigte zunächst Reue und wurde im vergangenen Jahr zu 35 Jahren Haft verurteilt. Zum Ende des Prozesses verlangte er doch plötzlich seine Freiheit und legte jetzt Berufung ein.
Duch könnte ein Kronzeuge der Anklage in dem neuen Prozess werden.
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Kategorie: Meine Artikel | Hinzugefügt von: sorvynosov (27.06.2011)
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