Statistik |
Insgesamt online: 1 Gäste: 1 Benutzer: 0 |
|
 | |  |
 |
Slowakei: Das ärmste Euro-Land sagt Nein zum Rettungsschirm
Nach mehrstündiger kontroverser Debatte hat das slowakische Parlament am späten Dienstagabend dem erweiterten Euro-Rettungsschirm die Zustimmung verweigert. Nur 55 Abgeordnete stimmten für das Vorhaben. Nötig wären 76 gewesen.
Die Bemühungen zur Eindämmung der Krise der Gemeinschaftswährung erhalten damit einen herben Dämpfer: Der erweiterte Euro-Rettungsschirm kann nur in Kraft treten, wenn alle 17 Mitgliedsländer der Eurozone dem Projekt zustimmen. Außer den Slowaken hatten zuvor alle anderen Euro-Staaten ihr Einverständnis erklärt. Über dem Votum zerbrach zudem die bürgerliche slowakische Regierung, weil Premierministerin Iveta Radicova zugleich mit der Abstimmung die Vertrauensfrage gestellt hatte.
Das slowakische "Nein" hatte sich im Laufe des Tages abgezeichnet
Das Scheitern hatte sich schon im Tagesverlauf abgezeichnet. Am Mittag hatten slowakische Medien noch die „sehr große Hoffnung“ des Chefs der EU-Kommission, Jose Manuel Barroso, zitiert, dass die Abstimmung im slowakischen Parlament positiv ausfallen möge. Zur gleichen Zeit strömten die Abgeordneten des Nationalrates hoch über der Donau ins Parlamentsgebäude und hörten aus einem Radio in der Wache den Schlager „Time to say goodbye“. Letzteres klang symbolisch wie ein Schwanengesang auf das erweiterte Euro-Rettungspaket und die slowakische Regierung. Zu dieser Stunde nämlich war schon klar, dass die Euro-Rettung, die zuvor von allen anderen 16 Staaten der Euro-Zone abgesegnet worden war, im slowakischen Parlament keine Mehrheit bekommen und damit quasi auf der Zielgerade scheitern würde.
Die christliberale Regierungschefin Iveta Radicova hatte zuvor alles versucht, um ihre widerspenstigen Koalitionspartner von der neoliberalen Partei Freiheit und Solidarität (SaS) unter Parlamentspräsident Richard Sulik zur Zustimmung zum größeren Rettungspaket zu bewegen. Vergeblich.
Daraufhin erklärte sie vor der Presse, die Abstimmung mit der Vertrauensfrage verknüpfen zu wollen. Die SaS lehnte dieses Vorgehen ab und kündigte an, der Abstimmung demonstrativ fernbleiben zu wollen. Damit, das war schon rein rechnerisch klar, bekäme Radicova in keinem Fall eine Mehrheit für den Rettungsschirm.
Bürgerliche Regierung zerbricht über Euro-Rettung
Die Ankündigung der SaS, an der Abstimmung nicht teilnehmen zu wollen, bedeutete auch, dass die bürgerliche Regierung über der Euro-Rettung zerbrechen würde.
Radicova hatte noch einmal flehentlich die Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit des Landes gegenüber den Partnern beschworen. "Die Slowakei ist keine Insel und wir sind nicht Robinson". Schon gar nicht in Zeiten, da Europa und die Welt die schwierigste Krise seit Ende des Zweiten Weltkrieges durchleide. Hier könne man nur verantwortlich und gemeinsam handeln.
Die Republik Slowakei wurde 1993 gegründet. In Verhandlungen mit der
tschechischen Teilrepublik einigten sich beide Seiten auf eine Teilung der
Föderation in zwei unabhängige Staaten. Die Hauptstadt Bratislava hat etwa
430.000 Einwohner. Das Land erstreckt sich über eine Fläche von 49.035
Quadratkilometer und ist etwas größer als Niedersachsen (47.635).
5,5 Millionen Slowaken erwirtschaften im Jahr ein Bruttoinlandsprodukt (BIP)
von 63 Milliarden Euro. Damit ist die Slowakei vor Schlusslicht Estland das
zweitärmste Land der 17 Euroländer.
Mit einer Staatsschuld von 41 Prozent des BIP ist die Slowakei aber eines der
wenigen Euro-Länder, das sich an die in der Euro-Zone festgelegte
Schuldenobergrenze hält. Anfang 2009 führte die Slowakei den Euro ein.
Seit Sommer 2010 regiert Premier Iveta Radicova mit einer Koalition aus vier
Parteien. Eine von ihnen ist die liberale Partei „Freiheit und Solidarität“
(SaS). Der Ökonom und ehemalige Geschäftsmann Richard Sulik gründete die SaS
erst 2009 – und kam 2010 mit zwölf Prozent der Stimmen in Parlament und
Regierung. Ohne die 22 Stimmen der SaS hat die Regierungskoalition bei
anstehenden Euro-Krisen-Gesetzen keine Mehrheit im Parlament.
Dies liege auch im Interesse der Slowakei und der Slowaken. Für sie als Premierministerin sei es unannehmbar, dass die Slowakei mit einem Nein zur erweiterten Eurorettung in die Isolation gerate.
Bei Sulik verfing das nicht. Er wiederholte in der Debatte vor der Abstimmung noch einmal seine grundlegenden Argumente gegen den erweiterten Euro-Rettungsschirm, was in dem Satz gipfelte: „Dieses Projekt widerspricht dem gesunden Menschenverstand.“
300 Stunden Arbeit nur für die EU-Hilfsgelder
Die Slowakei sei das ärmste Euro-Mitgliedsland, müsse aber proportional den größten Anteil an Hilfsgeldern zahlen, wenn die denn fällig würden. „Ein Slowake müsste dafür durchschnittlich 300 Arbeitsstunden aufbringen, ein Deutscher lediglich 120.“
Das Durchschnitts-Einkommen in der Slowakei liege bei 800 Euro, die Durchschnittsrente bei nicht einmal 400 Euro. Die Slowaken hätten hart gespart – im Gegensatz zu den Griechen. Niemand könne deshalb den Slowaken erklären, dass sie vielfach höhere Einkommen und Renten in Griechenland oder woanders in der Eurozone stützen sollten. Das sei eine „perverse Solidarität“, die dem slowakischen Steuerzahler da abverlangt werde.
Jedes Land sei für sich selbst verantwortlich, müsse verantwortungsbewusst wirtschaften. Wer zu viele Schulden angehäuft habe und diese nicht mehr begleichen könne, müsse Pleite gehen. Die Erweiterung des Euro-Rettungsfonds EFSF könnte am slowakischen Parlament scheitern. Was beinhaltet die Erweiterung des Fonds? Der Euro-Rettungsfonds soll künftig 440 Milliarden Euro zur Euro-Rettung ausgeben können, anstatt wie bisher 250 Milliarden Euro. Zudem sollen mit dem Geld Staatsanleihen von Euro-Ländern aufgekauft werden können, und zwar von den Staaten direkt sowie von Investoren. Geplant ist zudem, dass für wankende Euro-Länder vorsorglich Kredite und Darlehen zur Unterstützung angeschlagener Banken vergeben werden können. Die Euro-Länder versprechen sich davon wirksamere Möglichkeiten im Kampf gegen die Krise. Warum ist die Abstimmung in der Slowakei so wichtig? Alle 17 Euro-Länder müssen zustimmen, damit die Änderungen wie geplant wirksam werden. Das haben sie in den vergangenen Wochen getan – allein das Ja aus Bratislava steht noch aus.
Was wäre die Folge eines Neins? „Wir haben noch immer den EFSF, wie er ursprünglich entworfen wurde", sagt ein EU-Diplomat. Aber würden die höhere Ausleihsumme und die neuen Kompetenzen dann unwirksam sein? „Das ist richtig", stellt der Diplomat fest. „Wir müssten die Verhandlungen von vorne beginnen." Kann der Fonds nicht ohne die Slowakei umgesetzt werden? Finanziell vermutlich schon. Die Slowakei soll knapp 1,8 Prozent der vereinbarten EFSF-Mittel übernehmen. Dieser Anteil ließe sich von den anderen 16 Euro-Ländern stemmen. Aber das Zeichen wäre: Die Euro-Rettung wäre keine Gemeinschaftaufgabe – zur Not machen das die anderen. Deutschland und andere Länder, die schon jetzt die Hauptlast der Euro-Rettung tragen, wollen ein solches Signal verhindern. Denn nicht nur in Deutschland wächst der Unmut über immer höheres Risiko, das die Regierungen im Kampf gegen die Schuldenkrise übernehmen. Welche Möglichkeiten gibt es noch? Nicht unwahrscheinlich ist, dass die Regierungskoalition in Bratislava an dem Streit über den erweiterten Euro-Rettungsschirm zerbricht. Möglich wäre, dass die oppositionellen Sozialdemokraten sich dann zu einer Zustimmung bereiterklären, um bei Neuwahlen als Stimme der Vernunft zu punkten. Quelle: AFP Argumente, die im Wahlkampf vor einem Jahr auch noch die anderen Parteien der Regierungskoalition geteilt hatten. Beim ersten Rettungspaket für Griechenland war die Slowakei auch noch ausgeschert. Seinerzeit störte das nicht weiter, weil die Euro-Länder nicht einstimmig darüber befinden mussten.
Das war jetzt anders. Unter dem Druck der Einstimmigkeit schwenkte fast die komplette Regierung um auf den Kurs aus Brüssel, Berlin oder Paris. Nur eben Sulik nicht.
"Nein" aus Bratislava muss nicht das Aus für den Euro bedeuten
Einen Hoffnungsschimmer für die Befürworter des Euro-Rettungspakets gibt es jedoch noch: Das Scheitern des Euro-Rettungsschirms in Bratislava muss nicht dessen Aus bedeuten.
Radicova hat sich persönlich gegenüber Angela Merkel und den anderen Chefs der Euro-Partnerländer verpflichtet, die Sache zu einem guten Ende zu bringen. Notfalls müsste sie dazu als womöglich geschäftsführende Premierministerin die Opposition ins Boot holen. Der frühere sozialdemokratische Premier und jetzige Oppositionsführer Robert Fico ist prinzipiell für den Euro-Rettungsschirm, wollte nur aus innenpolitischem Kalkül nicht dafür stimmen, um die Regierung zu Fall zu bringen.
Fico ist bereit, in einer zweiten Abstimmung in den nächsten Tagen Ja zu sagen, wenn er dafür Neuwahlen bekommt. Eine solche zweite Abstimmung wäre laut slowakischer Verfassung möglich, weil es sich beim Euro-Rettungsschirm um ein „internationales Gesetz“ handelt. Finanzminister Ivan Miklos zeigte sich optimistisch: Binnen einer Woche werde der erweiterte Rettungsschirm auch das slowakische Parlament passieren.
|
Kategorie: Meine Artikel | Hinzugefügt von: sorvynosov (12.10.2011)
W
|
Aufrufe: 171
| Rating: 0.0/0 |
|  |
 |  |
 | |  |
|
|