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Opferfamilie: "Es ist gut, dass Bin Laden tot ist"
Mit einem Schlag ist alles wieder da: die Bilder, die Erinnerung, das Entsetzen. Durch eine SMS erfährt Sibylle Dircks frühmorgens vom Tod Osama Bin Ladens. Als sie im Fernsehen die Bestätigung hört und immer aufs Neue die Sequenzen des einstürzenden World Trade Centers sieht, ist die Trauer um ihren Bruder Christian Wemmers, der am 11. September 2001 im 106. Stock des Nordturms ums Leben kam, präsent wie damals. Für dieses Video wurde kein passender Videoplayer gefunden. Zum abspielen dieses Videos benötigen Sie einen aktuellen Adobe© Flash Player.
Wie vor knapp zehn Jahren erlebt die Hamburgerin „eine Art Ausnahmezustand“. In die Trauer mischt sich ein zweites, starkes Gefühl: das der tiefen Genugtuung. „Ich habe mich über mich selbst gewundert, wie rachsüchtig ich bin“, sagt sie. „Aber ich kann sagen: Ich freue mich, dass dieser Mann, der Tausende von Menschen auf dem Gewissen und so viel Leid verbreitet hat, getötet wurde.“
Wut steigt in ihr auf, als sie hört, wie Politiker, Staatsrechtler und Kommentatoren die Tötung Bin Ladens als unrechtmäßig kritisieren und fordern, er hätte lebend festgenommen werden müssen. „Da werden die Täter in Schutz genommen, das hat mich maßlos aufgeregt“, sagt sie. Letztlich sei Bin Laden ebenso gestorben wie seine Opfer, von denen viele sehr langsam und qualvoll ums Leben gekommen seien.
Die Frage, was Christian Wemmers in der letzten Stunde seines Lebens hoch oben in dem Turm über dem brennenden Flugzeug erlitten hat, beschäftigt die ganze Familie bis heute. Auch insofern ist der Tod des Al-Qaida-Führers für sie ein Stück Gerechtigkeit. Ein Prozess gegen Bin Laden hätte sich zudem über Jahre hinziehen und neue Terrorakte provozieren können oder Versuche der Freipressung, glaubt Sibylle Dircks. „Es ist gut, dass er tot ist.“
Sie glaubte ihren Bruder in Sicherheit
Als die Hamburgerin im September 2001 von dem Anschlag in New York hörte, glaubte sie ihren Bruder in Sicherheit. Schließlich arbeitete der 42-Jährige als Produktmanager einer Software-Firma in San Francisco. Doch sie erreichte ihn nicht. Vorsichtshalber sandte sie ein Fax an seinen Arbeitgeber.
Am 12. September um acht Uhr morgens erhielt sie den Anruf, der ihre Befürchtungen bestätigte: Ihr Bruder war zu einer Handelsmesse im World Trade Center gewesen. Gegen die Vernunft rief sie noch tagelang sein Handy an und sprach Nachrichten auf seine Mailbox – in der verzweifelten Hoffnung, er müsse noch da sein, wenn doch seine Mailbox liefe.
Es ist ein seltsamer Zufall, dass der Mann, der Tausende Kilometer von Wemmers Heimat entfernt die American Airlines-Maschine in den Nordturm steuerte und ihm den Tod brachte, lange Jahre wie der 42-Jährige selbst in Hamburg gelebt hatte. Doch die Wut gegen Todespilot Mohammed Atta und die anderen Selbstmordattentäter war bei Sibylle Dircks nie so groß wie der Hass auf Osama Bin Laden. Während die Piloten starben, hatte der der Welt hämisch ins Gesicht gelacht.
Die Leiche wurde nie gefunden
Was die Tötung von Bin Laden in ihr ausgelöst hat, glaubt sie, kann eigentlich nur verstehen, wer selbst betroffen ist. So wie die Freundin, die sie anrief, kurz nachdem die Meldung um die Welt ging. Auch sie hat am 11. September 2001 ihren Bruder in den Twin Towers verloren; die beiden Frauen lernten sich durch den Terrorschlag kennen und kamen sich näher. Nach der Nachricht vom Tode Osamas ist die Freundin sofort zum Grab des toten Bruders gefahren, um ihm triumphierend davon zu erzählen.
Einen solchen Ort hat Sibylle Dircks nicht. Die Leiche ihres Bruders wurde nie gefunden – für die Angehörigen ist dies eine zusätzliche Last. Die Familie erhielt zwar eine Urne mit Asche vom World Trade Center, die sie auf dem Familiengrab in Ahrensburg beigesetzt hat. Doch für die Hamburgerin ist das nicht das gleiche.
Sie quält oft das Gefühl, als sei praktisch nichts von ihrem Bruder geblieben – nichts außer seinem Golf Cabrio, den sie aus den USA hat herüberschiffen lassen und seinem Mantels, der zur Erinnerung an ihrer Garderobe hängt. Christian Wemmers hatte keine Frau und keine Kinder, seine sterblichen Überreste wurden nie identifiziert. „Es ist, als habe er sich ins Nichts aufgelöst“, sagt Sibylle Dircks.
Zum ersten Jahrestag stand sie am Ground Zero und vertrat bei der offiziellen Gedenkfeier die zehn deutschen Opfer des Anschlags. Auch in diesem Jahr wird sie am 11. September wieder in New York sein an dem Ort, an dem ihr Bruder starb. „Zum zehnten Jahrestag habe ich das Gefühl: Ich muss da noch einmal hin“, sagt sie. Besuche wie diese, Gedenktage und auch das Ende Bin Ladens helfen bei der Verarbeitung der Trauer.
Einen Abschluss kann es für Sibylle Dircks jedoch nicht geben. Das wurde ihr klar, als die Fernsehbilder der einstürzenden Türme das Geschehen in den vergangenen Tagen wieder mit Macht lebendig werden ließen. „Seit Montag weiß ich: Das hört nie auf“, sagt die Hamburgerin.
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Kategorie: Meine Artikel | Hinzugefügt von: sorvynosov (03.05.2011)
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