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Late Night : Radioaktiver Jauch und die Atomangst der Deutschen
Eine Talkrunde bei „Günther Jauch“ ohne eine einzige Frage in Sachen „Bundespräsident“? Geht natürlich gar nicht! Schließlich haben die zahlreichen Sendungen, in denen sich Jauch mit Wulff und seinem Amt befasste, regelmäßig für beachtliche Quotensprünge über fünf Millionen Zuschauer gesorgt.
Und wenn man Klaus Töpfer schon zu Gast hat, kann man ihn doch auch ruhig mal fragen, ob die Kanzlerin ihn denn tatsächlich als Kandidaten in Betracht gezogen, ja sogar angerufen habe.
Es sollte die Schlusspointe kurz vor Ende der Show werden, und Töpfer versaute sie – vorsätzlich und dem Thema, um das es eigentlich ging, angemessen. „Wir sind hier, um über Atompolitik zu reden“, wies er Jauch sichtlich genervt zurecht.
Gut, korrekter wäre zu diesem Zeitpunkt gewesen: „Wir waren hier, um über Atompolitik zu sprechen.“ Oder noch besser: „Eigentlich wollten wir über Atompolitik sprechen.“ Denn getan haben sie es nicht wirklich, die fünf illustren Gäste, die Günther Jauch sich eingeladen hatte, um ein Jahr nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima und dem Beginn der daraufhin eingeleiteten Energiewende mit gebotenem Abstand darüber zu reden, was da im Frühjahr 2011 eigentlich politisch passiert war. „Sündenfall Atomkraft – aber geht’s wirklich ohne Kernenergie?“, hatte die Redaktion den Rückschau-Talk betitelt.
Moral und Sicherheitsmängel
Entsprechend nostalgisch wurde es. Vor allem mit Wolfgang Clement. Der Ex-Sozialdemokrat mit Sitz im Aufsichtsrat von RWE bezeichnete den Ausstieg aus dem Ausstieg als sachlich unbegründet: „Mich hat es fassungslos gemacht, dass in Deutschland Konsequenzen aus einem Vorfall gezogen werden, der hierzulande so nie passieren könnte“, sagte er. Die Sicherheitsmängel im japanischen Reaktor seien bekannt gewesen, bis zum letzten Tag vor dem Tsunami habe die dortige Regierung Berichte gefälscht. Die Situationen seien daher nicht vergleichbar. Für Klaus Töpfer, den ehemaligen Umweltminister von Helmut Kohl und Chef der sogenannten Ethikkommission, die nach Fukushima die Risiken der Atomenergie neu bewerten sollte, ist der beschleunigte Atomausstieg weniger eine Frage der Vergleichbarkeit denn der Vertretbarkeit. „Bei der Bewertung von Techniken müssen auch bestimmte moralische Werte eine Rolle spielen“, sagte er. Clement schnaufte dabei, als müsse er Luft aus seiner Knautschmimik entweichen lassen.
Die Kernschmelze ist ein extrem gefährlicher Unfall in einem
Kernreaktor. Dabei erhitzen sich die Brennstäbe so sehr, dass
sie schmelzen. Im ummantelten Brennstab befindet sich der Stoff, der
gespalten wird – also Uran oder Plutonium.
Der größte anzunehmende Unfall (GAU) in einem Atomkraftwerk
bezeichnet den schwersten, unter Einsatz aller Sicherheitssysteme noch
beherrschbaren Störfall. Die Umwelt wird dabei nicht über die zulässigen
Grenzwerte hinaus mit Strahlen belastet.
Von einem „Super-GAU“ spricht man hingegen, wenn ein Unfall
nicht mehr beherrschbar ist, der Reaktorkern schmilzt oder der
Druckbehälter birst. Bei einer Kernschmelze erhitzen sich die Brennstäbe so
sehr, dass sie ihre feste Form verlieren. Im ummantelten Brennstab befindet
sich der Stoff, der gespalten wird – also Uran oder Plutonium. Zur
Kernschmelze kann es etwa kommen, wenn Kühl- und Sicherungssysteme
gleichzeitig oder kurz nacheinander ausfallen.
Zur Kernschmelze kann es etwa kommen, wenn Kühl- und Sicherungssysteme
gleichzeitig oder in kurzer Zeit nacheinander ausfallen. Wenn die gesamte
geschmolzene Masse auf den Boden des Behälters sinkt, kann sie sich durch
die Wände des Reaktors fressen. Dabei können radioaktive Substanzen nach
Außen gelangen. Mit einer Kernschmelze gehen häufig Dampf- und
Wasserstoffexplosionen einher.
Natürliches Cäsium 133 ist ein goldglänzendes, sehr weiches Metall und kommt
in winzigen Spuren in den Gesteinen der Erdkruste vor. Sein radioaktiver
Verwandter, das gefährliche Cäsium 137, entsteht bei der
Kernspaltung. Bei der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 waren große
Mengen davon entwichen. Es kann über die Abluft oder das Abwasser aus
Atomanlagen gelangen und wird direkt oder über die Wurzeln von den grünen
Teilen der Pflanzen aufgenommen. Über diesen Umweg kommt es auch in Milch,
Fleisch und Fisch. Pilze waren nach der Katastrophe von Tschernobyl
besonders belastet.
Hohe Konzentrationen von Cäsium können Muskelgewebe und Nieren des Menschen
schädigen. Es verteilt sich gleichmäßig im Körper, so dass seine Strahlung
den ganzen Organismus trifft. Cäsium 137 wird aber auch zur
Strahlenbehandlung in der Krebstherapie, bei Materialprüfungen oder zum
Betrieb von Atomuhren eingesetzt. Es zerfällt mit einer Halbwertszeit von 30
Jahren – das ist die Zeitspanne, die vergeht, bis die Hälfte der
Radioaktivität abgebaut ist.
Bei der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 waren große Mengen davon
entwichen. Es kann über die Abluft oder das Abwasser aus Atomanlagen
gelangen und wird direkt oder über die Wurzeln von den grünen Teilen der
Pflanzen aufgenommen. Über diesen Umweg kommt es auch in Milch,
Fleisch und Fisch. Pilze waren nach der Katastrophe von Tschernobyl
besonders belastet.
Natürlich seien Erdbeben der Stärke 9 in Deutschland ein Ding der Unmöglichkeit, fuhr Töpfer fort, und auch Tsunamis seien eher schwer vorstellbar. „Aber es gibt auch andere Möglichkeiten, eine Reaktorkatastrophe herbeizuführen“, sagte er. Terror oder Cyberkriminalität seien nur zwei Beispiele. Vor diesem Hintergrund sei die Entscheidung richtig, eine Energieform, die nicht beherrschbar ist, abzuschalten.
Für Ulrich Walter, Professor für Raumfahrttechnik, ist das Hysterie. Der ehemalige Astronaut führt die Angst der Deutschen vor der Atomenergie vor allem auf Unwissenheit zurück. Der Mensch habe vor Radioaktivität vor allem deswegen Angst, weil sie nicht spürbar ist. „Dabei ist sie überall vorhanden“, erklärte er und begann im Erklärbärstil von RangaYogeshwar eine kleine Versuchsreihe an toten, aber auch lebenden Objekten.
Unterwegs mit dem Geigerzähler
Mit einem Geigerzähler tastete er zunächst Jauch ab. Ergebnis: War das Gerät am Körper, stieg der Strahlenwert. „Und was beweist das jetzt im Zusammenhang mit Fukushima“, fragte der frisch gekürte Radioactive Man etwas pikiert, als sei ihm der ganze Hokuspokus peinlich. Walter ließ sich davon nicht irritieren. Auch an eine Plastikschale und eine Packung Backpulver hielt er das Messgerät, dessen quietschende Laute daraufhin noch quietschiger wurden.
Unser ganzer Alltag ist verstrahlt, so seine These. Um sie zu unterstreichen, hielt er die Backpulverpackung wie ein Homeshopping-Moderator in die Kamera. „Bloß nicht, sonst kauft das morgen keiner mehr“, bereitete Jauch der spontanen „Wissen nach 8“-Einlage ein Ende – und bestätigte Walter damit zumindest indirekt in seiner Ansicht, dass die Atomangst der Deutschen zum Teil irrational ist. Einer ihrer prominentesten Anhänger, der bibelfeste Politjournalist Franz Alt, geißelte die Bedenken am beschleunigten Atomausstieg als „Propaganda der Energiekonzerne“.
Die Energiewende berge jede Menge Vorteile, man müsse sie nur nutzen, rief er zu einem „neuen deutschen Wirtschaftswunder“ auf. „Wir leben doch nicht hinter dem Mond“, bellte er Clement an. Der konterte, er habe ja gar nichts gegen erneuerbare Energien. „Es geht nur alles zu schnell!“ Er habe die Sorge, dass die Strompreise in Deutschland schon bald auf ein Allzeithoch klettern werden.
Warum das so ist, wurde nicht weiter vertieft. Stattdessen sah man zwei Ex-Ministern, einem Ex-Raumfahrer und einem Ex-Magazinmoderatoren dabei zu, wie sie über ein Ex-Problem debattierten. Denn mit einem erneuten Umschwenk in der Energiepolitik ist nicht zu rechnen – da können die Energiekonzerne noch so sehr mit der Entscheidung hadern.
Interessanter wäre es gewesen, Wege zu diskutieren, wie man bis 2022 den Anteil der Erneuerbaren Energien auf 35 Prozent steigern will. Und natürlich, welches Vermächtnis das Atomzeitalter hinterlässt.
„Was noch gar nicht zur Sprache kam, ist das Problem der Endlagerung“, wandte Bestsellerautorin Gudrun Pausewang („Die Wolke“) völlig zu Recht, aber auch viel zu spät ein. Man konnte sehen, wie Jauch ein „Stimmt“ durch den Kopf schoss.
Dieses Fass wollte er aber nicht mehr aufmachen beziehungsweise: er konnte es nicht. Die Frage an Töpfer nach dem Anruf von Merkel stand ja noch aus.
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Kategorie: Meine Artikel | Hinzugefügt von: sorvynosov (05.03.2012)
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