Berlin: Wowereit hätte Bündnis mit den Grünen vorgezogen
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat nach dem Scheitern von Rot-Grün Vermutungen zurückgewiesen, dass er diese Koalition nie gewollt hätte. „Rot-Grün wäre in Berlin sehr wohl eine Variante gewesen, aus Sicht der SPD sogar die Vorzugsvariante“, sagte er in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“.
Er wies aber darauf hin, dass es zahlreiche Streitpunkte mit den Grünen gegeben habe: „Auf der anderen Seite nutzt es weder der SPD noch den Grünen und der Stadt, wenn es keine stabilen Verhältnisse gibt, um fünf Jahre erfolgreich miteinander zu reagieren.“ Die Koalition war am Streit um die A100 gescheitert. Es wäre aber auch zum ständigen Streit um den Ausbau des Großflughafens gekommen, sagte Wowereit.
Flügelkampf bei den Grünen
Bei den Berliner Grünen ist sechs Wochen nach der Abgeordnetenhauswahl eine tiefe Krise ausgebrochen. Der alte Flügelkampf zwischen Realos und Linken brach wieder auf, nachdem Letztere am Dienstag bei der Wahl der Fraktionschefs nicht berücksichtigt wurden. Aus Sicht der bei der Berlin-Wahl gestärkten Linken, die mehr Einfluss forderten, wird damit der „Kurs der Spaltung“ fortgesetzt.
Die Fraktionschefs Ramona Pop und Volker Ratzmann, die zum Realo-Lager gezählt werden, hatten sich am Dienstag gegen ihre Herausforderer vom linken Flügel, Canan Bayram und Dirk Behrendt, durchgesetzt. Ratzmann gelang das nach einem Patt im ersten Wahlgang erst im zweiten Anlauf, wobei dann nur 15 der 29 Abgeordneten für ihn stimmten.
Vertreter der Linken hatten ihm bereits zuvor vorgeworfen, im Wahlkampf eine Koalition mit der CDU nicht ausgeschlossen und damit Stimmenverluste in Kauf genommen zu haben. Aber auch unabhängig davon ist er nicht unumstritten. Er brauchte schon in früheren Jahren mehr als einen Wahlgang.
"Veritable Krise"
Ratzmann spricht nach seiner äußerst knappen Wiederwahl von einer „veritablen Krise“ der Fraktion. Ihn habe erschüttert, dass sein Wahlergebnis anscheinend nicht akzeptiert werde, sagte er dem RBB-Radiosender Radio Eins. Das stelle die Fraktion vor ziemliche Probleme, zumal sie als stärkste Oppositionsfraktion im Abgeordnetenhaus wichtige Aufgaben zu erledigen habe.
Auf die Frage, ob er den linken Flügel der Fraktion nicht genug eingebunden habe, sagte Ratzmann, natürlich habe sich die Frage nach dem weiteren Vorgehen gestellt, aber ihm sei im Vorfeld immer signalisiert worden, er solle weitermachen. Es werde Kontinuität gebraucht. „Dass dann einige sich nicht mehr an solche Zusagen halten, ist eine bittere Wahrheit“, sagte der Politiker.
Man werde die Situation jetzt analysieren und lösen müssen. Es könne nicht sein, dass eine selbst in einer zugespitzten Situation getroffene Mehrheitsentscheidung nicht akzeptiert werde. „Das stellt dann ja auch schon fast die Arbeitsfähigkeit der Fraktion infrage“, sagte Ratzmann.
Konstruktives Verhältnis finden
Der Berliner Grünen-Vorsitzende Daniel Wesener sieht die Entwicklung in der Abgeordnetenhausfraktion mit „großer Sorge“. Der aufgebrochene Konflikt zwischen linkem und Realo-Flügel sei ein „Fehlstart“ der neuen Fraktion, sagte Wesener. Er hätte sich gewünscht, dass es gelinge, „alle Kräfte in der Fraktion zusammenzubinden“.
Er halte ein „Weiter so“ und eine Fortsetzung dieser Flügelkämpfe für „fatal“, sagte Wesener, der selbst dem linken Lager zugerechnet wird. Der „Kurs der Ausgrenzung“ dürfe nicht weitergehen. Nach Ansicht des Parteichefs muss die Fraktion zu einem „konstruktiven Verhältnis zurückfinden“. Schließlich erwarteten die Wähler, dass die Grünen ihre Oppositionsrolle wahrnähmen.
Die Grünen hatten bei der Abgeordnetenhauswahl zwar ihr Ziel, stärkste Partei zu werden, verfehlt, aber deutliche Stimmengewinne verbucht. Die Parteilinken gewannen insgesamt sieben Direktmandate in Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln. Rot-grüne Koalitionsverhandlungen ließ die SPD jedoch vor drei Wochen platzen, weil sich beide Seiten nicht über die Autobahn 100 einigen konnten.