Affäre um IWF-Chef: Warum Sex-Protz Strauss-Kahn Amerika schockiert
Der stoppelbärtige ältere Mann, der im dunkelblauen Regenmantel mit verschränkten Armen und übereinander geschlagenen Beinen auf der Anklagebank in Manhattan lümmelte, hatte bis zum vergangenen Samstag in den USA die privilegierte Anonymität eines französischen UN-Diplomaten genossen.
Dass Dominique Strauss-Kahn (62) den Internationalen Währungsfonds (IWF) leitet und Aussichten hatte, Frankreichs Staatschef zu werden, erschließt sich der amerikanischen Öffentlichkeit nur langsam und stößt auf das mäßige Interesse an einem Exoten, der sich den Gebräuchen der US-Justiz zu unterwerfen hat.
Zu diesen Gebräuchen zählt die Zurschaustellung des (prominenten) Verdächtigen in Handschellen beim sogenannten „perp walk“ vor einer Heerschar von Reportern.
In Frankreich sei eine solche Anprangerung unbekannt, lernen interessierte Amerikaner. Und eine Menge mehr, als sie über den Verdächtigen und notorischen „French Lover“ DSK – wie der Beschuldigte daheim oft abgekürzt wird – je zu wissen begehrten.
Wie ernst die Lage des Mannes ist, der am Montag für genau 26 Minuten vor dem Gericht von Richterin Melissa Jackson stand, bewies die Abweisung seines Antrags, gegen eine Million US-Dollar Kaution freizukommen.
Auf der Titelseite der „New York Times“, die Strauss-Kahn trotzig und verachtungsvoll in die Bank geknautscht zeigt, sieht man noch einen mächtigen Mann, der damit rechnet, ungefesselt den Saal zu verlassen. Die Richterin zerstörte diese Haltung, als sie der Staatsanwaltschaft folgte.
Diese hatte die Ablehnung Freilassung gegen Kaution gefordert: Es bestehe Fluchtgefahr, da zwischen Frankreich und, den USA kein Auslieferungsvertrag existiere; weil der Verdächtige kurz vor Abflug seines Air-France-Fluges festgenommen worden sei; endlich weil es, „wohl im Ausland“, schon einmal ähnliche Vorwürfe gegen Strauss-Kahn gegeben habe. Richterin Jackson machte klar, dass sie auch beim nächsten Haftprüfungstermin nicht mit sich handeln lassen werde.
Fruchtlos blieben die Entgegnungen von DSKs Anwalt Benjamin Brafman, der erläuterte, der Flug nach Paris sei vor Wochen gebucht worden, von Flucht könne keine Rede sein.
Sein Mandant habe zudem nach der von dem Zimmermädchen angegebenen Tatzeit ein Mittagessen mit seiner Tochter nahe dem Hotel „Sofitel“ eingenommen und später, vom Kennedy-Flughafen aus, durch einen Anruf in dem Hotel auf der Suche nach seinem Handy freiwillig seinen Aufenthaltsort verraten: „Dies ist nicht im Einklang mit dem Verhalten eines Mannes, der seine Spur verwischt, um einen Flug zu erreichen und zu fliehen.“
Auch würden, so Brafman, die Ergebnisse der Spurensicherung und DNA-Analyse – DSK unterzog sich „freiwillig“ einer entsprechenden Untersuchung – „sehr wahrscheinlich letztlich die Unschuld“ seines Mandaten beweisen. Es scheint, die Verteidigung will darauf hinaus, das Zimmermädchen habe sich sexuell angeboten oder Avancen nicht abgewehrt.
Das sieht der stellvertretende Bezirks-Staatsanwalt John McConnell entschieden anders. Er hält sieben Anklagepunkte mit einer Gesamtstrafe von 25 Jahren Haft (die Nachrichtenagentur AFP spricht gar von 74 Jahren und drei Monaten) durch eine überwältigend „starke Darstellung“ des Opfers für beweisbar.
Versuchte Vergewaltigung, Freiheitsberaubung und, besonders schwerwiegend, einen „kriminellen sexuellen Akt“ (US-Rechtsbegriff für erzwungenen Anal- oder Oralverkehr) hat die 32 Jahre alte Frau ihrem mutmaßlichen Peiniger vorgeworfen.
Der Chef des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, wird in
New York eines „kriminellen sexuellen Akts“ und der „versuchten
Vergewaltigung“ beschuldigt. Er soll versucht haben, in einem New Yorker
Luxushotel ein Zimmermädchen zu vergewaltigen.
In einigen Medienberichten hieß es, der verheiratete 62-Jährige habe die 32
Jahre alte Frau zum Oralsex gezwungen. Ein New Yorker Polizeisprecher
stellte in einem Telefongespräch mit der Nachrichtenagentur dpa aber klar,
dass in diesem Fall die Anklage anders formuliert worden wäre. Hätte
Strauss-Kahn das Zimmermädchen tatsächlich zu Oralsex gezwungen, würde die
Anklage nicht nur auf „versuchte Vergewaltigung“, sondern auf
„Vergewaltigung“ lauten. Nach Angaben des Sprechers ist noch unklar, ob
Strauss-Kahn schon am Sonntag einem Richter vorgeführt wird. Dies hänge auch
damit zusammen, wie viele andere Fälle es noch gebe. dpa
Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft betrat sie gegen 12 Uhr mittags am Samstag mit dem üblichen Ruf „Housekeeping“ die Suite und ließ, wie es Vorschrift ist, die Tür weit offen. Der Verdächtige sei nackt aus dem Bad gestürzt, habe die Tür zugeworfen und sie ins Schlafzimmer gezerrt. Er habe sie an den Brüsten und im Genitalbereich roh angefasst und versucht, ihre Strumpfhose und Unterhose herunterzureißen. Als das nicht gelang, habe er sie zum Oralverkehr gezwungen.
Wie dies erzwungen wurde, ist ungeklärt. Jedenfalls entkam das Zimmermädchen und vertraute sich Kollegen an, die über Notruf die Polizei verständigten.
Das Management des Sofitel bestätigt, dass die aus Afrika eingewanderte Frau, Mutter einer Tochter im Teenageralter, seit einigen Jahren „sehr zufriedenstellend“ für das Hotel arbeite. Kolleginnen beschreiben sie als „liebe, nette Person“. IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn ist bei weitem nicht der erste Politiker, der sich Vorwürfen sexueller Verfehlungen ausgesetzt sieht: BILL CLINTON Der damalige US-Präsident wurde von der Staatsangestellten Paula Jones beschuldigt, er habe sie 1991, als er Gouverneur von Arkansas war, in einem Hotelzimmer sexuell belästigt. Sie verlangte zwei Millionen Dollar Schadenersatz und ... ... eine ausdrückliche Entschuldigung des US-Präsidenten, was dieser entschieden ablehnte. Die Klage wurde im April 1998 abgewiesen. Im August 1998 gestand Clinton, eine „unangemessene Beziehung" mit der Praktikantin Monica Lewinsky gehabt zu haben. Ihm wurde Falschaussage im Fall Paula Jones und Behinderung der Justiz in der Lewinsky-Affäre vorgeworfen. Im Februar 1999 wurde Clinton in einem Amtsenthebungsverfahren freigesprochen. SILVIO BERLUSCONIItaliens Regierungschef steht im Mittelpunkt zahlreicher Sexaffären. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 74-Jährigen Begünstigung der Prostitution von Minderjährigen sowie Amtsmissbrauch vor.Berlusconi soll im vergangenen Jahr die damals minderjährige Marokkanerin Karima el Mahroug alias Ruby Rubacuori bei Partys in seiner Villa in Arcore für Sex bezahlt haben. Im vergangenen Mai setzte er laut Staatsanwaltschaft durch, dass die wegen Diebstahls festgenommene Nachtklub-Tänzerin freigelassen wurde. MOSCHE KATZAV Der damalige israelische Präsident musste im Juni 2007 wegen eines Sexskandals zurücktreten. Im Dezember vergangenen Jahres wurde er wegen zweifacher Vergewaltigung einer ehemaligen Mitarbeiterin und ... ... sexueller Belästigung zweier weiterer Angestellter während seiner Amtszeit als Tourismusminister und während seiner Präsidentschaft zu sieben Jahren Haft sowie zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Katzav weist alle Vorwürfe zurück und ging in Berufung. CANAAN BANANA Simbabwes Ex-Präsident wurde im Mai 2000 wegen „Sodomie und anderer Sexualvergehen" zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Er soll die Straftaten während seiner Präsidentschaft von 1980 bis 1987 begangen haben. Im Januar dieses Jahres kam er vorzeitig aus der Haft frei. ANWAR IBRAHIM Dem früheren malaysischen Vize-Regierungschef und späteren Oppositionsführer drohen in einem laufenden Verfahren wegen homosexueller Beziehungen mit einem Ex-Mitarbeiter bis zu 20 Jahre Gefängnis. Homosexualität ist im muslimischen Malaysia illegal. Anwar war bereits Ende der 90er Jahre wegen Homosexualität und Betrugs zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. JACOB ZUMA Der heutige südafrikanische Präsident wurde im Mai 2006 von dem Vorwurf freigesprochen, 2006 eine HIV-positive Frau vergewaltigt zu haben. Quelle: AFP
Reporter der „New York Times“, die im Stadtteil Bronx Nachbarn der Frau befragten, hörten nur Gutes. Das Management hat die Angestellten gebeten, das Zimmermädchen nicht auf das mögliche Trauma anzusprechen, wenn sie wieder zur Arbeit komme. „Sie ist traurig, umarmt sie einfach, wenn ihr sie seht.“
Das Sofitel nahe dem Times Square sah sich gezwungen, französische Medienberichte zu dementieren, wonach es dort schon mehrere Vorfälle dieser Art in Verbindung mit Strauss-Kahn gegeben habe. Davon sei nichts bekannt, auch über eine Notfall-Telefonnummer für solche Fälle, die seit einem Jahr bestehe, sei nichts dergleichen gemeldet worden.
An widersprüchlichen Aussagen herrscht kein Mangel. Zeugen haben Strauss-Kahn beim Auschecken in der Hotelhalle um 12.28 Uhr als vollkommen ruhig oder hingegen als gehetzt beschrieben. „Als einen Mann, der in Eile zu sein schien“ erlebte Staatsanwalt McConnell den Verdächtigen auf einem Video des Hotels.
Ein norwegischer Hotelgast, der am Samstagabend mit derselben Limousine des Hotels fuhr, die DSK zum Flugplatz gebracht hatte, zitierte den Fahrer: „Er sagte, Strauss-Kahn sei enorm in Eile gewesen, er habe verärgert und gestresst gewirkt.“
Dem widerspricht wiederum entschieden dessen Anwalt Benjamin Brafman. Sein Mandant habe nach dem Bezahlen der Zimmerrechnung in Ruhe mit seiner Tochter zu Mittag gegessen; dafür gebe es selbstverständlich Zeugen.
Wie es scheint, sind dies jedoch keine Zeugen, die ihm für die mutmaßliche Tatzeit ein Alibi verschaffen können. Gäbe es die, dann müsste der Franzose längst auf freiem Fuß sein. Brafman hütete sich, französische Spekulationen, der berüchtigte Schürzenjäger DSK sei von politischen Gegnern in eine „Venusfalle“ gelockt worden, vor Gericht anzudeuten.
Nicht zu beneiden sind die Mitarbeiter des Internationalen Währungsfonds in Washington. Mit gesenkten Köpfen, so beobachteten Reporter, und ohne ein Wort seien sie am Montag in ihre Gebäude geeilt.
Ein Sprecher des Fonds klärte immerhin mit einer Quittung des Online-Services Travelocity, dass Strauss-Kahn 525 Dollar (umgerechnet 371 Euro) und nicht etwa 3000 für die Suite im Sofitel privat bezahlt habe; auch sei sein Flug in der Business Class gebucht worden, erst ein Upgrade von Air France habe ihm den Sitz in der Ersten Klasse verschafft.
Das Jahresgehalt des „IMF Managing Director“ ist mit 420.930 Dollar plus 75.350 Dollar Zulagen, also insgesamt etwa 336.000 Euro (Stand 2007) für amerikanische Verhältnisse eher bescheiden. Dass der Multimillionär Strauss-Kahn den Luxus liebt, Privatjets und Jachten, macht ihn nur seines Reichtums wegen in Amerika nicht verdächtig.
Niemand würde ihn „Bling-Bling-Präsident“ oder „Champagner-Sozialist“ nennen. Seine angeblich unstillbare Lust auf schöne Frauen, die nicht seine sind, wirkt umso befremdlicher.
Nicht dass es US-Politikern an Libido, Scheinheiligkeit, auch gelegentlich an krimineller Energie mangelte. Es wird nur erwartet, so lange wie möglich zu leugnen, statt damit auch noch herumzuprotzen.